Studie: Chinas Unternehmen leiden unter schlechter Zahlungsmoral

Autor: Osman Centinkaya
Datum: 31.03.2016

Wirtschaftswachstum kann sich auf 6,5 Prozent verlangsamen

Acht von zehn Unternehmen in China verzeichneten 2015 Zahlungsverzögerungen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von Coface, an der sich 1.000 Firmen mit Sitz in China beteiligt haben. Coface erwartet, dass sich das Wirtschaftswachstum auf 6,5 Prozent verlangsamt, 2015 waren es 6,9 Prozent. Dazu kommen in vielen Branchen hohe Verschuldung und Überkapazitäten sowie der Abwertungsdruck auf den Renminbi und der volatile Aktienmarkt. Coface rechnet daher damit, dass sich die Zahlungsausfälle in China daher nicht verbessern.

Branchen mit hohem Risiko: Bau, Metall und IT

Laut Studie sei der Bausektor die derzeit riskanteste Branche. 28,3 Prozent der verzögerten Zahlungen waren länger als 150 Tage ausstehend. Bei mehr als der Hälfte (57 Prozent) der Bau-Unternehmen machen diese Forderungen mehr als zwei Prozent ihres Jahresumsatzes aus. Dramatisch: Laut Coface werden fast 80 Prozent dieser Außenstände nicht mehr bezahlt. Wenn die Summe der sehr lange überfälligen Forderungen zudem zwei Prozent des Jahresumsatzes ausmacht, ist oftmals die Liquidität des Lieferanten gefährdet. Eine gefährliche Kettenreaktion kommt in Gang.

Unternehmen aus der Metallbranche berichten von 13 Prozent Forderungen, die länger als 150 Tage ausstehen, aus der IT-Branche melden 15,2 Prozent. Besser geht es der Konsumbranche, dem Einzelhandel und der Branche Automobil, doch auch hier wurde ein verschlechtertes Zahlungsverhalten festgestellt.

Trotz vorsichtigerer Kreditgewährung bleiben Zahlungsverzögerungen

2015 haben sich die Zahlungsziele in China weiter verkürzt. Grund dafür ist, dass die Lieferanten aufgrund einer Mischung aus den schlechten Zahlungserfahrungen aus den Vorjahren, die schwindende Zuversicht und geringere Wachstumserwartungen vorsichtiger geworden sind.

Dennoch geben 80,6 Prozent der befragten Unternehmen an, 2015 Zahlungsverzögerungen erlitten zu haben. 2014 waren es 79,8 Prozent. Bei 58,1 Prozent der Befragten geht es dabei um höhere Summen. Jeder zehnte beklagt zudem Überziehungen von mehr als 150 Tagen. 2014 waren dies vier Prozentpunkte weniger. 17,9 Prozent aller Unternehmen erlebten extrem lange Überziehungen von mehr als 180 Tagen, die dazu noch über fünf Prozent ihres Jahresumsatzes ausmachten. Durch so lange Zahlungsverzögerungen steigt der Druck auf die Finanzstabilität der Unternehmen.

Die Ergebnisse der Studie decken sich mit den Zahlen der chinesischen Bankenaufsicht zu nicht abbezahlten Krediten (non-performing loans/NPL). Danach betrug die NPL-Quote Ende 2015 1,59 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit 2009. 2003 betrug die Quote 1 Prozent. Der Wert stieg dabei in den ersten drei Quartalen 2015 um mehr als 50 Prozent. In diesem Zusammenhang darf man die Gefahren durch eine weitere Zunahme von Ausfällen nicht unterschätzen.

Trübe Aussichten und mehrere Herausforderungen für Wirtschaft

Chinesische Unternehmen, die unter Überkapazitäten und geringen Gewinnen leiden, können noch schneller insolvent werden, da die Regierung, das Problem der Überkapazitäten und „Zombiefirmen“ ausmerzen will. Zwar schwächt die Kreditvergabe ab, dennoch wächst die private Verschuldung weiterhin schneller als das chinesische Bruttoinlandsprodukt. Die Schulden der privaten Unternehmen – ohne Finanzsektor – haben im Juni 2015 201 Prozent des BIP erreicht, im Juni 2008 waren es noch 114 Prozent, im Juni 2013 176 Prozent.

Die 6,9 Prozent Wirtschaftswachstum 2015 waren die niedrigste Rate in 25 Jahren. Die von Coface prognostizierten 6,5 Prozent wären ein weiterer Negativrekord. „Der Trend zeigt vor dem Hintergrund der Ausbalancierung des chinesischen Wachstumsmodells und niedrigerer globaler Nachfrage abwärts. Die Regierung setzt auf Reformen, um das Wachstum mehr in Richtung Konsum und Dienstleistungen auszubalancieren. Mittelfristig werden mit diesen Maßnahmen positive Effekte erwartet, kurzfristig haben sie die Lage für Unternehmen erschwert. Die Gewinne gingen zurück, gleichzeitig hat sich das Kreditrisiko erhöht,“ heißt es in einer Pressemeldung zur Studie.

Die Börsen in China erleben eine Krise. Die Volatilität hat zugenommen. Dazu trägt auch die starke Finanzierung von Aktien über Kredite bei. Dadurch aber steigt das Kreditrisiko und diese Abwärtsspirale könnte sich noch weiter verstärken. Zeitgleich hat der Yuan einen beispiellosen Fall erlebt. Auf den Yuan drücken zudem Kapitalabflüsse ins Ausland, verstärkt noch durch die Sorgen der Chinesen um das verlangsamte Wirtschaftswachstum.

Geldpolitisch hat die People´s Bank of China im November 2014 den Leitzins sechsmal um zusammen 165 Basispunkte gesenkt, den Mindestreservesatz fünfmal um 300 Basispunkte reduziert und über verschiedene Kanäle massiv Liquidität in die Wirtschaft gepumpt. Allerdings blieben diese Maßnahmen ohne großen Erfolg.

„Die Strategie der Regierung ist nicht eindeutig, die Behörden müssen zwischen zwei Zielen balancieren. Auf der einen Seite geht es darum, weiter das Wachstum zu stützen, um eine harte Landung zu verhindern und Arbeitsplätze zu sichern. Auf der anderen Seite muss eine Kreditblase verhindert werden. Zugleich stehen die Unternehmen in China vor großen Problemen. Dazu zählen vor allem die hohe Verschuldung mit – trotz der geldpolitischen Verbilligungsmaßnahmen – enormen Finanzierungskosten, die geringe Profitabilität, die von den großen Überkapazitäten in mehreren Branchen verschlimmert wird, sowie die Schwankungen an den internationalen Währungs- und Aktienmärkten. Nachdem die Politik des billigen Geldes 2015 noch nicht gewirkt hat, erwartet Coface für 2016 weitere Stimulusmaßnahmen. Die Regierung will mit allen Mitteln eine harte Landung verhindern“, erklärt Charlie Carré, Economist bei Coface.

Über die Studie

Coface macht die Befragung der Unternehmen in China zum Zahlungsverhalten seit 2003. 1.000 Unternehmen aus verschiedenen Branchen nahmen im Oktober und November 2015 an der 13. Studie teil. Die Ergebnisse liefern nicht nur Fakten zum Zahlungsverhalten chinesischer Unternehmen. Sie beleuchtet auch das Kreditmanagement der Unternehmen und helfen, es zu verbessern.