PwC Studie: Digitalisierung ist kein „Jobkiller“

Autor: Osman Cetinkaya
Datum: 15.03.2016

Unterschiedliche Auswirkungen auf Arbeitsbranchen und ihre Arbeitskräfte

Digitalisierungseffekt Quelle: Presse PwC

Digitalisierungseffekt
Quelle: Presse PwC

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hat in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftforschungsinstitut Darmstadt (WifOR) die möglichen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt in Deutschland in einer neuen Studie veröffentlicht. Bis zum Jahr 2030 kann der erwartete Engpass von 4,2 Millionen Arbeitskräften in Deutschland mithilfe der Digitalisierung um die Hälfte verringert werden, so das Ergebnis der Studie. Mit dieser Studie möchte PwC dazu beitragen, die Diskussionen zu den Auswirkungen der Industrie 4.0 auf den Arbeitsmarkt zu versachlichen. „Die gesellschaftliche Diskussion über die Digitalisierung der Arbeitswelt ist weitgehend von Ängsten geprägt. Zahlreiche Unternehmen in Deutschland reagieren hingegen eher zurückhaltend bis ablehnend, wenn sie auf ihre Strategien in einer digitalisierten Welt angesprochen werden – auch wenn bereits viele Firmen an einer veränderten Ausrichtung und der Neugestaltung ihrer Geschäftsmodelle arbeiten“, so Norbert Winkeljohann, Vorstandssprecher von PwC Deutschland.

Grund für die negative Haltung ist aus der Sicht von PwC, dass es bis heute keine konkreten Prognosen zu den Auswirkungen der Digitalisierung im Zusammenhang auf den Arbeitsmarkt gibt. Bisherige Ergebnisse weisen oftmals die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt als ein isoliertes Phänomen oder zeigen, wie viele Arbeitsplätze voraussichtlich entfallen. Aufgrund dessen setzt diese Studie auf diese Problematik an und verdeutlicht durch ein neu entwickeltes Modell die Wirkung der Digitalisierung auf die Arbeitskräftenachfrage. So ergibt sich ein quantifizierbarer Digitalisierungseffekt für die wichtigsten Berufsgruppen, der sowohl positiv oder auch negativ ausfallen kann. „Im Gegensatz zu vielen bisherigen Studien, die nur das Automatisierungs- und Rationalisierungspotential der Digitalisierung analysieren, ermöglicht unser Modell auch quantitative Aussagen darüber, in welchen Branchen und Berufen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen werden“, verdeutlich WifOR Geschäftsführer Dr. Dennis A. Ostwald.

Grundsätzlich weist die Studie auf, dass bis zum Jahr 2030 rund 300.000 neue Arbeitskräfte in Pharma- und Gesundheitsbranche benötigt werden. Darüber hinaus steigt der Bedarf des öffentlichen Sektors um 190.000. Das Ergebnis zeigt ebenfalls auf, dass die Digitalisierung eine enorme Auswirkung auf den Bereich der Akademikerberufe hat. Rund 2 Millionen Hochschulabsolventen, mit dem Schwerpunkt auf den Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT-Fächern), werden bis zum Jahr 2030 zusätzlich fehlen.

Die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften durch Digitalisierung wird für die Branche „Technologie, Medien und Telekommunikation“ mit 11 % eingeschätzt und entspricht damit dem höchsten Anstieg. Weiterhin wird die Digitalisierung eine Nachfrage nach Arbeitskräften für die Branche „Gesundheit/Pharma“ um etwa 6 % bis zum Jahr 20130 steigern, im Öffentlichen Sektor um 2 %. Dahingegen wird die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften durch die Digitalisierung in der Energiebranche um 1 % sinken und die Automobilbranche sogar um 6 %. Auf den nächsten Plätzen folgen die Branchen „Industrielle Produktion“ (9 %), Banken- und Versicherungswesen (10 %), Handel (17 %) und abschließend prognostiziert die Untersuchung einen Rückgang der Arbeitskräftenachfrage für die Branche „Transport und Logistik“ um 19 %.

„Die Aufgaben für Politik und Wirtschaft liegen angesichts der absehbaren Auswirkungen der Digitalisierung auf der Hand: Zunächst sollten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der negativ betroffenen Berufsgruppen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Gleichzeitig wird die Digitalisierung auch dazu führen, dass ehedem ins kostengünstigere Ausland ausgelagerte Unternehmensteile an den deutschen Stammsitz zurückkehren, da eine Auslagerung keine oder zu geringe Kostenvorteile mehr bieten wird“, so Norbert Winkeljohann.

Um die Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen, müssen Wirtschaft und Politik einen gemeinsamen Weg einschlagen. „Deutschland benötigt ein Konzept für eine ‚digitale Volkshochschule‘. Hinter dieser Idee steht zum einen die Modernisierung der Lehrpläne in Richtung Kreativität und Problemlösungskompetenzen, zum anderen die verstärkte Nutzung virtueller Plattformen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in allen Altersgruppen. Nur wenn es uns gelingt, die Menschen auf die neuen Anforderungen vorzubereiten, wird Deutschland seine Bedeutung in einer zunehmend digitalisierten Weltwirtschaft behaupten können“ äußert sich Dazu Olaf Acker, Partner und Experte für Digitalisierung bei Strategy&, der Strategieberatungs-Sparte von PwC.

„Die Digitalisierung der Kommunikation zwischen öffentlichen Einrichtungen und Bürgern einerseits sowie die Digitalisierung der Verwaltung andererseits hat bereits in zahlreichen Ländern eine nachweislich positive Wirkung hinsichtlich Akzeptanz und Verbreitung neuer Technologien in der Wirtschaft und der Gesellschaft entfaltet. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn Städte mit digitalisierten Verwaltungen und Eigenbetrieben die Keimzelle für eine ‚Smart City‘ bilden“, ergänzt Acker.