Logistik: Europa fährt die Grenzen hoch – Lieferungen verzögern sich bis zu 12 Stunden

Autor: Christian Fischer
Datum: 22.09.2015

Die Situation an den inner- und außereuropäischen Grenzen in Richtung Südosteuropa führt in den Logistiknetzwerken deutscher Unternehmen zu erheblichen Behinderungen, wie Ermittlungen des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) bei seinen Mitgliedern gezeigt haben. Lieferungen würden sich laut diesen Ergebnissen um bis zu 12 Stunden verzögern. „Dies zeigt, dass freier Warenaustausch auf diesen Routen nur noch bedingt möglich ist“, sagt Gunnar Gburek, Leiter der BME-Sektion Logistik. Laut BME sei eine Lösung nicht wahrscheinlich, vielmehr rechnet der Experte damit, dass sich die Situation sogar noch weiter zu verschärft.

Wie der BME-Experte betont, sei die Gesamtsituation für Verlader und Dienstleister aber gut beherrschbar. Erforderlich sei dazu ein kontinuierlicher Austausch über die aktuelle Lage, speziell weil es sich bei der Flüchtlingskrise um ein höhergelagertes gesellschaftspolitisches Problem handele, für das beide Seiten ihre Solidarität zeigen sollten. „Wenn mit offenen Karten gespielt und eng miteinander kommuniziert wird, kann man gemeinsame Lösungen finden“, sagt Gburek. Dies gelte vor allem für den Regelverkehr, bei zeitkritischen Einzelsendungen sei dies ungleich schwerer.

Gburek erwartet, dass sich Verlader auf kurz oder lang auf höhere Kosten einstellen müssen, auch wenn dem BME bislang noch nichts von Aufschlägen seitens der Spediteure bekannt ist. Wie der Experte erläutert, bleiben die Auswirkungen nämlich nicht auf die Wartestunden an der Grenze beschränkt. „Die Netzwerke sind mittlerweile so engmaschig gestrickt, dass es zu massiven Folgeproblemen kommt, wenn Waren, Fahrzeuge und Fahrer nicht plangemäß ankommen und für den Weitertransport zur Verfügung stehen. Das bringt die eng getakteten Fahrpläne gewaltig durcheinander.“

An Alternativen mangelt es, weil sich die Flüchtlingsströme auch auf die Ausweichstrecken verlagern. Das Flugzeug könne für zeitsensitive Einzelsendungen eine schnelle, zugleich aber teure Möglichkeit sein. Ansonsten bleibt laut BME die Schiene: Dienstleister berichteten hier gegenüber dem BME von einem vergleichsweise reibungslosen Ablauf. Vereinzelt seien allerdings auch hier schon Verzögerungen wegen gesperrter Gleise aufgetreten – sei es wegen Grenzkontrollen oder Menschen im Gleis.

Welche Möglichkeiten es auf den Bahnkorridoren nach Südosteuropa gibt, können Einkäufer und Logistiker in Kürze beim 9. Internationalen Eisenbahnkongress in Erfahrung bringen. Die vom BME und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) organisierte Tagung findet vom 20. bis 21. Oktober 2015 in Wien statt.