Einkauf 4.0-Studie: Der operative Einkäufer wird verschwinden

Autor: Sebastian Thelen
Datum: 02.05.2016

Fraunhofer IML und BME stellen neue Studie zur Digitalisierung des Einkaufs vor

Studie Einkauf 4.0

Studie Einkauf 4.0

Die Rollenvorstellungen des Einkaufsmanagers 4.0 reichen von „aktiver Treiber“ bis „lediglich Unterstützer“. Einkaufsmanager müssen sich stärker in die Diskussion um Industrie 4.0 einschalten. Als Innovationsscout und Experte für Technologie und Management findet der Einkäufer dann auch Gehör. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „Digitalisierung des Einkaufs – Einkauf 4.0“, des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML und des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Zwischen August 2015 und April 2016 waren insgesamt 25 Einkaufsleiter und CPOs namhafter Industrieunternehmen sowie Vertreter von zwei Hochschulen befragt worden.

Zentrale Umfrage-Ergebnisse:

Eine starke interne und externe Vernetzung ist das Maß aller Dinge, wenn Industrie 4.0 erfolgreich entwickelt werden soll. Während die Vernetzung im eigenen Unternehmen alle Abteilungen gleichermaßen betrifft, ist insbesondere der Einkäufer bei der externen Vernetzung gefordert. Der Austausch von Know-how mit anderen Unternehmen und Organisationen macht es ihm dann möglich, von den Vorteilen der Digitalisierung zu profitieren. Der Einkauf ist Treiber der externen Vernetzung und trägt hier die volle Verantwortung. Ihm kommt bei der Umsetzung von Industrie 4.0 eine entscheidende Rolle zu: Er muss die Innovationen und Technologien ins Unternehmen bringen, damit es die vierte industrielle Revolution erfolgreich meistern kann.

Der Einkäufer muss künftig in Echtzeit reagieren können. Das geht nur, wenn er zuvor seine Prozesse weitestgehend digitalisiert hat.
Der Einkäufer muss ein zunehmend digitalisiertes Beschaffungsportfolio managen. Nicht nur die Prozesse des Einkaufs, sondern auch die zu beschaffenden Produkte unterliegen dem Wandel der Digitalisierung.

Operative Einkaufsprozesse können nahezu komplett digitalisiert werden. Sie müssen nicht durch einen Mitarbeiter abgewickelt werden; das übernehmen neue Technologien und E-Lösungen. Der strategische Einkauf steuert und überwacht diese Prozesse dann nur noch. Damit ist der operative Einkäufer ein Auslaufmodell.
Die Anforderungen und Erwartungen an den strategischen Einkauf wachsen und damit die Forderung nach einem erhöhten Wertbeitrag.

Das Berufsbild des Einkäufers wandelt sich grundlegend. Seine traditionelle Rolle ist passé. Er wird zum digitalen Schnittstellenmanager nach innen und außen.

Technologien schaffen viele neue Möglichkeiten für Unternehmen, ersetzen allerdings keine persönlichen Beziehungen. Besonders im Einkauf bleiben persönliche Kontakte zu Lieferanten und internen Kunden eine wichtige Basis.

Der Einkauf trägt nicht die Gesamtverantwortung für die Umsetzung von Industrie 4.0 – dennoch spielt er dabei eine entscheidende Rolle.

Die aktuelle Studie ist Ausgangspunkt für weitergehende, detaillierte Untersuchungen zum Thema Einkauf 4.0. Dazu haben BME und Fraunhofer IML einen Think Tank als Erfahrungs- und Ideengeber gegründet. Aufgabe dieses Expertenkreises ist es, Erfahrungswerte aus der bisherigen Praxis zusammenzutragen sowie die mit der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft verbundenen Anforderungen an den Einkauf zu ermitteln.

Die komplette Studie als kostenfreier Download: HIER

Situation:

  • Die vierte industrielle Revolution betrifft nicht nur die Produktion (Smart Manufacturing/ Factory) und die Logistik (Logistik 4.0), sondern gleichermaßen auch alle anderen Funktionsbereiche eines Unternehmens, im Besonderen den Einkauf.
  • Die Digitalisierung stellt neue Anforderungen an den Einkauf in Bezug auf sich ändernde Aufgaben und Prozesse. Die Aufgaben des Einkaufs werden sich durch die neuen technologischen Möglichkeiten und Lösungen wie Smart Contracts, Predictive Analytics Software, neue Kennzahlen sowie Big Data und die Echtzeitverfügbarkeit von Daten immens verändern und neue Möglichkeiten entstehen. Die Verantwortlichkeiten des Einkäufers entwickeln sich dabei verstärkt in Richtung Überwachungs-, Steuerungs- und Lenkungsaufgaben. Die operativen Prozesse können nahezu autonom ablaufen.
  • Die Veränderung des Beschaffungsportfolios ist eine weitere Herausforderung. Die zu beschaffenden Güter ändern sich hin zu digitalen und innovativen Produkten und neuen Komponenten, die ein neues Maß an technischem Knowhow voraussetzen. Ebenfalls sind Maschinen oder Werkzeuge für die Weiterverarbeitung oder Veredelung dieser neuen Komponenten und Module einzukaufen. Das Beschaffungsportfolio wird sich künftig immer rasanter ändern, getrieben durch die Entwicklung in der Produktion hin zur Kleinserienfertigung bis zur Losgröße 1. Der Einkauf muss also zukünftig noch schneller reagieren.

Lösungsansatz:

  • Industrie 4.0 und die Digitalisierung im Einkauf hin zu einem Einkauf 4.0 wird Lösungsansätze in 2 Richtungen erfordern:
    1. Technologieinnovationen und 2. Prozessinnovationen
    Beschaffung von Technologien und Produkten, die es ermöglichen den Markt- und Kundenwünschen nach digitalen Lösungen sowie den Anforderungen an eine zunehmend digitalisierte Leistungserstellung gerecht zu werden.
    Die Anpassung der Einkaufsprozesse, -strukturen und letztlich auch der Mitarbeiter im Einkauf an die Herausforderungen und Chancen der 4. Industriellen Revolution.
  • Der Einkauf muss sich dabei künftig insbesondere auch mit der Beschaffung von externem Knowhow befassen (Innovation Sourcing). Die unternehmenseigenen F&E Abteilungen fokussieren sich immer weiter auf Ihre Kernkompetenz und lagern Teile Ihrer F&E aus. Dies ist aufgrund immer komplexerer Technologien und fehlenden Kompetenzen auf bestimmten Gebieten zurückzuführen. Weiterhin sichert es die Wettbewerbsfähigkeit am Markt (Zugang zu neuesten Technologien) und wirkt durch die Auslagerung als Wachstumstreiber für das Unternehmen. Der Markt bietet unterdessen eine Vielzahl von spezialisierten Technologie-Unternehmen, die den Zukauf jeglicher Lösungen sicherstellen.

Nutzen/ Ergebnisse:

  • Der Einkauf kann sich innerhalb des Unternehmens sowie in der Wertschöpfungskette neu positionieren und seine Stellung im Netzwerk stärken. Durch die erweiterten Möglichkeiten, die die neuen Technologien und die veränderten Abläufe bieten kann der Einkauf seiner strategischen Funktion als Treiber von zunehmender Vernetzung und Innovator gerecht werden.
  • Der Einkauf hat durch seine natürliche Position im Unternehmen sowie in der Lieferkette, Schnittstellen zu fast allen Abteilungen und zu den externen Partnern (vor allem Lieferanten). Er sollte somit in der Lage sein, Handlungsbedarfe entlang der Wortschöpfungskette frühzeitig zu erkennen. Neue Steuerungsmöglichkeiten durch intelligente Analysesoftware (Smart Analytics) und durch die Verknüpfung jeglicher Daten aller Systeme und Stakeholder, ermöglichen schnellere Entscheidungen auf einer verbesserten Datengrundlage für das gesamte Unternehmen und die Lieferkette.
  • Durch Innovation Sourcing sorgt der Einkauf dafür, dass das Unternehmen als eines der ersten am Markt sein neues Produkt mit neuester Technologie verkaufen kann und sich hiermit einen entsprechenden Marktanteil sichert. Aufgrund der immer kürzeren Produktlebenszyklen und den dynamischen Marktverhältnissen, ist der Zukauf von Innovationen heutzutage unabdingbar, um den Unternehmenserfolg langfristig sicherzustellen.